STAND 01.12.2023 | LESEZEIT 4 MIN
Sind Glätte, Schnee oder Laub der Grund für den Sturz und haben Sie einen körperlichen Schaden erlitten, könnte Ihnen Schmerzensgeld zustehen. Wir klären auf, wann Gehwege geräumt werden müssen und was passiert, wenn Sie vor einem öffentlichen Gebäude ausrutschen.
Die Pflicht ist vielen Grundstückseigentümern und Mietern ein leidiges Thema. Doch hinter der zusätzlichen Arbeit steckt ein wichtiger Beitrag zur Sicherung von Straßen und Gehwegen. Aber auch wenn sich jeder Beteiligte bemüht, kann es passieren, dass Passanten bei fallenden Temperaturen und nicht optimalen Bedingungen auf Gehwegen und Bürgersteigen ausrutschen.
Häufig landen Fälle, bei denen sich eine Person durch Ausrutschen auf dem Gehweg oder Straße verletzt hat vor Gericht. Vereinzelt können hohe Schadensersatzsummen ausgehandelt werden.
Grundsätzlich gilt in Deutschland eine Räumpflicht. Das Entfernen von Schnee und Eis auf Gehwegen, Zufahrtswegen, Treppen und Durchgängen ist eine generelle Rechtspflicht. Sie bezieht sich auf die Verkehrssicherungspflicht und umfasst nicht nur die Streu- und Schneeräumungspflichten bei Eisglätte und Schnee im Winter, sondern auch die Beseitigung von sonstigen Gefahren, die zu Personen- oder Sachschäden führen können.
Ist der Eigentümer nicht vor Ort, kann die Räum- und Streupflicht an Mieter oder einen externen Dienstleister übertragen werden. Übernimmt der Eigentümer selbst die Räum- und Streupflicht, sollte sich dieser rechtzeitig auf Schnee und Eis einstellen. Neben Zuwegen zur Haustür sind auch die öffentlichen Gehwege vor dem Gebäude freizuhalten.
Bei Eigentumswohnungen kann die Räum- und Streupflicht per Satzung geregelt sein. Die können zwar von Ort zu Ort variieren, aber in den Hauptpunkten sind sie meistens gleich und regeln beispielsweise die Zeiten, wann die Gehwege geräumt sein müssen.
Der Eigentümer kann die Räum- und Streupflicht auf Mieter übertragen, wenn dieser Punkt Teil des Mietvertrages ist. Alternativ kann auch die Aufnahme in die Hausordnung veranlasst werden. Zu beachten ist die gerechte Aufteilung der Pflichten unter den Mietern, damit es zu keiner unzulässigen Benachteiligung kommt. Grundsätzlich gilt die Pflicht auch für Mieter in hohem Alter.
Allerdings gibt es auch Ausnahmen, wie ein Urteil des AG Hamburg-Altona (Az. 318 a C 146/06) zeigt:
Eine 80-jährige Seniorin war laut einer Klausel in ihrem Mietvertrag zur Wegereinigung und Streuung im Winter verpflichtet. Wegen ihres Alters konnte sie dies nicht erledigen. Dies belegte sie durch ein ärztliches Attest. Der Vermieter verlangte daraufhin 290 Euro für einen Räumdienst von ihr. Im Prozess wertete das Amtsgericht die Kosten aber als indirekte Mieterhöhung und urteilte, dass diese nicht auf die Mieterin abgewälzt werden durften.
Beauftragt der Eigentümer einen externen Dienstleister, so können die Kosten für die Dienstleistung im Rahmen der Nebenkostenabrechnung auf die Mieter verteilt werden. Bei starkem oder wiederkehrendem Schneefall müssen die Verantwortlichen auch mehrmals am Tag raus und spätestens innerhalb einer Stunde nach jedem beendeten Schneefall schippen.
In den meisten Gemeinden gibt es einen Streuplan, der ein angemessenes und rechtzeitiges Räumen und Streuen der öffentlichen Straßen sicherstellen soll. Hält sich die öffentliche Hand genau daran, haftet sie bei Glatteisunfällen nicht, so das Oberlandesgericht Hamm. In dem vorliegenden Fall hatte ein Mann die Stadt verklagt, nachdem er sich bei einem Sturz auf einem ungestreuten Fußgängerüberweg erheblich an Schulter und Arm verletzt.
Das Gericht wies seine Klage jedoch ab, denn der Streuplan der Stadt sah vor, dass das gesamte Stadtgebiet innerhalb von fünf Stunden nach einem Schneefall geräumt werden sollte. Durch die notwendigen Vorbereitungsarbeiten, die das Gericht der Kommune zubilligte, war für ausreichend Sorgfalt durch die Stadt gesorgt.
Gemeinden dürfen Prioritäten setzen und beispielsweise verkehrsreichen Straßen und Gefahrenschwerpunkten Vorrang einräumen. Kommt es zu Unfällen durch Glatteis oder Schnee, haftet die Gemeinde nicht für Unfälle, die trotz aller Sorgfalt an einer Stelle passierten, die einfach noch nicht an der Reihe gewesen ist. (Urteil vom 7.12.2011, Az. I-9 U 113/10)
Außerdem handelt es sich bei der Streu- und Räumpflicht für Kommunen um eine Amtspflicht im Sinne des § 839 BGB.
Ist die Räum- und Streupflicht Bestandteil des individuellen Mietvertrages oder der Hausordnung, die für alle Mieter in einem Gebäude gilt, dann kann der zuständige Mieter im Falle von Stürzen von Passanten in die Pflicht genommen werden.
Mieter, die ihrer Räum- und Streupflicht nicht ordnungsgemäß nachkommen, sehen sich im Falle von Klagen Zahlungen von Bußgeld, Schmerzensgeld und Schadensersatz gegenüber. Viele Kommunen verlangen Bußgelder von mehreren Hundert bis mehreren Tausend Euro.
Stürzt dann ein Passant und verletzt sich, muss zunächst geklärt werden, ob sich der Unfall während oder außerhalb der Zeiten ereignete, an denen geräumt werden muss. Wer keine private Haftpflichtversicherung hat, dem drohen hohe Zahlungen und viel Ärger mit der Gegenseite.
Die Kommunen legen in ihrer jeweiligen Ortssatzung fest, auf welcher Breite Gehwegen zu räumen sind. Üblich sind jedoch Breiten von 1 bis 1,50 m für Gehwege. Bezüglich der Uhrzeiten, wann oder wie lange die Räum- und Streupflicht gilt, gibt es keine allgemeingültige Aussage zu treffen. Die Gerichte haben dazu in vielen Einzelfallurteilen zu entscheiden.
Beginnt beispielsweise die Schule in einer Straße um 7 Uhr, müssen Anleger auch davon ausgehen, dass die Kinder und Eltern die Wege zur Schule rechtzeitig vorher benutzen. Auch ein örtlicher Discounter kann mit seinen Öffnungszeiten Auswirkungen auf die Kernzeit der Pflichten haben.
Laut Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 21.12.2012, Az. 9 U 38/12, gelten die folgenden Vorgaben. Allerdings betont das Gericht im Urteil, dass Gemeinden die Anforderungen an die Eigentümer unterschiedlich gestalten können.
Das OLG Frankfurt (Urteil vom 26.11.2003, Az. 21 U 38/03) stellte zudem fest, dass bei voraussehbarer Glättebildung bereits während der Nacht vorbeugend gestreut werden muss.
Als ungefähre Orientierung kann die Zeit zwischen 7 Uhr und 20 Uhr betrachtet werden.
Auf einer Anliegerstraße morgens um 04:30 Uhr bei Glatteis: Eine Zeitungsausträgerin hatte nach einem Sturz die zuständige Gemeinde verklagt. Doch der BGH erklärte, dass die Gemeinde nicht grundsätzlich dazu verpflichtet sei, vor sechs Uhr morgens zu räumen und zu streuen. Dass der Unfall auf einer Anliegerstraße stattfand, hatte das Gericht ebenfalls zu bewerten.
Auch hier gab es eine Niederlage für die Klägerin, denn Anliegerstraßen gehören nicht zu den Straßen mit zu erwartendem hohen Verkehrsaufkommen. Genau die hätte die Gemeinde laut Streuplan zuerst räumen müssen. Wegen einzelner Personen, die außerhalb der streupflichtigen Zeiten auf der Straße unterwegs seien, wären keine besonderen Vorsorgemaßnahmen erforderlich (Beschluss vom 11.8.2009, Az. VI ZR 163/08).
Alle Verletzungen, die durch einen Glatteissturz entstanden sind, müssen ausreichend und sorgfältig dokumentiert werden. Die Vorstellung bei einem Arzt ist nach dem Sturz unbedingt zu empfehlen. Der Arzt macht mithilfe von Fotos die notwendige Dokumentation. Sind die Verletzungsfolgen schmerzhaft, sollte ein Schmerztagebuch geführt werden.
Dieses fällt in die Nachweispflicht des Geschädigten und kann vor Gericht hilfreich sein. Grundsätzlich sind viele Belege und Nachweise zur Verletzung und deren Umfang eine Hilfe, um Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
Ein Schmerzensgeldanspruch muss demjenigen gegenüber geltend gemacht werden, der die Räum- und Streupflicht nicht ordnungsgemäß ausgeführt hat oder ihr nicht nachgekommen ist. Ist eine Überwachungskamera oder ein unabhängiger Zeuge vorhanden, geht der Nachweis deutlich leichter. Andernfalls muss das Gericht in jedem Einzelfall prüfen, inwieweit die Räum- und Streupflichten vernachlässigt worden sind.
Der Geschädigte muss nach einem Sturz folgendes nachweisen:
Da die Gerichte häufig in Einzelfällen entscheiden müssen, gibt es keine allgemeingültige Aussage zur Höhe des Schmerzensgelds, das ein Geschädigter nach einem Sturz bei Glatteis oder Schnee verlangen kann. Allerdings können Tools wie ein Schmerzensgeldrechner dabei helfen, zunächst ein Gefühl für die richtige Höhe der Forderung zu bekommen.
Bei der Berechnung eines möglichen Schmerzensgeldes kann ein Rechtsexperte helfen, er schätzt einen möglichen Betrag aufgrund von Schmerzensgeldtabellen. Mit diesem Orientierungswert können Sie sich mit dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung auseinandersetzen. Hat der Schädiger keine solche Versicherung, haftet er im Falle einer Verurteilung selbst.
Allerdings gibt es bei Schäden von Dauer und Forderungen ab etwa 2.500 EUR den Forderungsausfallschutz der eigenen Haftpflichtversicherung. Diese kommt dann für die Kosten auf. In vielen älteren Haftpflichtpolicen ist die Klausel zum Forderungsausfall jedoch nicht enthalten.
Da dies problematisch werden kann, ist in diesen Fällen anwaltliche Hilfe unbedingt zu empfehlen. Nutzen Sie unsere Anwälte für Schadensersatz oder für Verkehrsrecht.
Dann nutzen Sie einfach die KLUGO Erstberatung. Die Erstberatung ist ein Telefongespräch mit einem zertifizierten Anwalt aus unserem Netzwerk.
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